Welche Rolle spielt eigentlich das Internet für Identitätpolitik? Die Theorien der Identitätspolitik in der feministischen und demokratietheoretischen Tradition sind auffällig ignorant gegenüber den Medien der identitätspolitischen Kommunikation, die sich in den letzten Jahren völlig verändert haben - von Szene-Zines zu Plattformen und Messengern.

Im neuen Artikel analysiere ich, wie das Internet und digitale Kommunikation neue Möglichkeiten für Identitätspolitik eröffnen und damit die Demokratie stärken können.

Abstract

Algorithmen und Filterblasen werden oft dafür kritisiert, zu epistemischen Schließungen zu führen, die wiederum identitätspolitische Spaltungen verstärken und damit die Demokratie gefährden. Der Artikel argumentiert für die gegenteilige These: Epistemische Schließungen durch digitale Kommunikation sind förderlich für die Konstruktion von identitätspolitischen Gegenöffentlichkeiten, von denen ausgehend hegemoniale Diskurse kritisiert werden können, um die Demokratie zu demokratisieren. Digitale Kommunikation ist identitätspolitischer Demokratisierung zuträglich, weil sie Gegenöffentlichkeiten sowohl epistemische Schließungen als auch diskursive Offenheit ermöglicht, durch die ein identitätspolitischer Standpunkt gebildet und effektiv in die hegemoniale Öffentlichkeit eingebracht werden kann.

Der Band: Entgrenzte Öffentlichkeit

Der Artikel ist ein weiterer Baustein in der radikaldemokratischen Theorie der Identitätspolitik, die ich zurzeit entwickle. Ich freue mich sehr, dass er im Band “Entgrenze Öffentlichkeit. Debattenkulturen im politischen und medialen Wandel” erscheint. Herausgegeben von Victor Kempf und Simone Jung versammelt das Buch die innovativsten Stimmen zur Analyse des digitalen Strukturwandels der Öffentlichkeit. Mit von der Partie sind u.a. Carolin Wiedemann, Floris Biskamp, Jan-Philipp Kruse und Paula Villa Braslavsky.

Abstract des Bandes

Mit der Digitalisierung geht eine Entgrenzung der Öffentlichkeit einher. Medientechnologien stellen nicht nur Möglichkeitsräume bereit, in denen Konflikte verhandelt werden. Sie transformieren auch den politischen Diskurs. Vor allem »die sozialen Medien« werden oft als Bedrohung einer konstruktiven Debattenkultur betrachtet. Die Beiträger*innen treten einen Schritt zurück und fragen aus sozial-, kulturwissenschaftlicher und philosophischer Perspektive, wie Öffentlichkeiten hergestellt und transformiert werden. Sie erörtern theoretische sowie empirische Perspektiven und analysieren normative Fragestellungen, die angesichts globaler Dynamiken und neuer Formen von Kulturkonflikten an Bedeutung gewinnen.

Zitieren und downloaden (open access)

Schubert, Karsten (2023): Demokratisierung durch Filter Bubbles. Affordanzen der Schließung und Öffnung. In: Jung, Simone; Kempf, Victor (Hg.): Entgrenzte Öffentlichkeit. Debattenkulturen im politischen und medialen Wandel. Bielefeld: transcript, 123–139.
https://doi.org/10.14361/9783839463352-007
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