Tagung am Institut für Politikwissenschaft der Universität Duisburg-Essen, 15.-17. März 2023

Die Tagung wird veranstaltet von Prof. Dr. Franziska Martinsen (Universität Duisburg-Essen), Prof. Dr. Peter Niesen (Universität Hamburg), Dr. Karsten Schubert (Humboldt-Universität zu Berlin), Prof. Dr. Frieder Vogelmann (University College Freiburg/Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) und Dr. Sabrina Zucca-Soest (Helmut-Schmidt Universität Hamburg).

Programm

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Mittwoch, 15. März 2023

14.30-15.00 Uhr Begrüßung

15.00-16.45 Uhr Panel 1 Genealogie der Politischen Theorie und Ideengeschichte I

Heike Mauer (Uni Duisburg-Essen) / Denise Bergold-Caldwell (Uni Marburg): „Mehr Intersektionalität wagen. Potentiale für die Politische Theorie“

Floris Biskamp (Kath. Uni Eichstätt-Ingolstadt / Uni Tübingen): „Provincializing Frankfurt. Politische Theorie und die Vielfalt der Provinzen“

Moderation: Eva Hausteiner (Uni Erlangen)

16.45-17.15 Uhr Kaffeepause

17.15-18.45 Uhr Panel 2 Genealogie der Politischen Theorie und Ideengeschichte II

Oliver Eberl (Uni Hannover): „Demokratiekonflikte und Kolonialismus. Zum Abwertungsdiskurs der liberalen Demokratie“

Christine Unrau (Uni Duisburg-Essen, Käte Hamburger Kolleg): „Diverseres Wissen für eine andere Welt? Lateinamerikanische Beiträge zur Globali- sierungskritik in der (Internationalen) Politischen Theorie.“

Moderation: André Brodocz (Uni Erfurt)

19.00-20.30 Uhr Keynote: Adrian Daub (Stanford University, USA): „Cancel Culture Transfer“

Moderation: Frieder Vogelmann (Uni Freiburg)

Donnerstag, 16. März 2023

09.00-10.30 Uhr Panel 3 Diversifizierung des Kanons I

Laura Tittel (Uni Gießen): „Antiziganismus als verdrängter Gegenstand der politischen Theorie“

Zubair Ahmad (FU Berlin): „Die koloniale Genealogie der Regierung von Muslim*innen als ein Versuch einer Dekolonisierung der Politischen Theorie”

Moderation: Katharina Motyl (Uni Mannheim)

10.30-10.45 Uhr Kaffeepause

10.45-12.15 Uhr Panel 4 Diversifizierung des Kanons II

Regina Schidel (Uni Frankfurt/Main): „‚Cognitive Disability‘ als Instanz epistemischer Ungerechtigkeit in der politischen Theorie?”

Silvia Donzelli (Uni Bielefeld/Uni Regensburg): „Dialektik der Differenz: Zum politischen Gehalt der Diversitätsfrage in der Afrikanischen Philosophie“ Moderation: Frank Nullmeier (Uni Bremen)

12.15-14.15 Uhr Mittagspause

13.15-14.15 Uhr Versammlung der befristet und prekär Beschäftigten der Sektion Politische Theorie/Ideengeschichte

14.15-15.30 Uhr Dialog-Format: Rasse/race im Recht Cengiz Barskanmaz (HS Fulda): tbc

Daniel James (Uni Düsseldorf): tbc

Moderation: Sabrina Zucca-Soest (HSU Hamburg)

15.30-16.00 Uhr Kaffeepause

16.00-17.30 Uhr Panel 5: Politische Epistemologie und kritische Wissenschaftstheorie I

Lucas von Ramin (TU Dresden): „Diversität als moralische Quelle? Die Abkehr vom Allgemeinen im Licht der Ideologiekritik“

Vanessa Ullrich (Uni Bielefeld): „Ein diverses revolutionäres Subjekt? Diversität und Begehren in heutigen politischen Bewegungen”

Moderation: Martin Nonhoff (Uni Bremen)

17.30-18.30 Uhr Mitgliederversammlung der Sektion Politische Theorie/Ideengeschichte

19.00-20.30 Uhr Keynote: Ina Kerner (Uni Koblenz): „Streit um den Islam. Zum Verhältnis von Feminismus, Orientalismus und Rechtspopulismus.“

Moderation: Karsten Schubert (Uni Freiburg)

Freitag, 17. März 2023

9.30-10.45 Uhr Panel 6: Politische Epistemologie und kritische Wissenschaftstheorie II

Mareike Gebhardt (Uni Münster): „Nomadisch statt monadisch: Kritische Methodologien und epistemologische Brüche”

Christian Leonhardt (Uni Bremen): „Keine Diversität ohne Gleichheit – Keine Gleichheit ohne Diversität”

Moderation: Peter Niesen (Uni Hamburg)

10.45-11.15 Uhr Kaffeepause

11.15-12.30 Uhr Dialog-Format: Wissenschaftsfreiheit und Diversität

Henrike Bloemen (Uni Münster): „Common Sense. Kritische Perspektiven auf einen Bedeutungskomplex zwischen Akademie und Alltag.”

Brigitte Bargetz (Uni Passau): „Diversitätsabwehr oder: Vom Unwillen zu Verlernen”

Moderation: Franziska Martinsen (Uni Duisburg-Essen)

12.30-13.00 Uhr Abschluss

Anmeldung bitte bis zum 20. Februar 2023: kaempfeumdiversitaet.unidue@posteo.de

CfP-Text

Im Zuge der aktuellen Debatten zur Wissenschaftsfreiheit in akademischen Kreisen und in der breiteren Öffentlichkeit wird verstärkt auf den Begriff der Diversität Bezug genommen. Teils geschieht dies im Rückgriff auf kritische Gesellschaftstheorien, teils jedoch auch mit der Absicht, inklusive und emanzipatorische Anliegen zu diskreditieren. Der Begriff der Diversität verweist seismographisch auf gesellschaftliche und wissenschaftliche Auseinandersetzungen und Unsicherheiten, die unter anderem durch verzerrende Vereinnahmungen durch neoliberale Projekte (Stichwort „Diversity“ als Marketingstrategie) und die neuen Kulturkämpfe geschürt werden.

Die Tagung möchte diese Kontroversen und Verunsicherungen näher beleuchten und kritisch reflektieren, und zwar sowohl im Sinne einer Selbstreflexion der Politischen Theorie und Ideengeschichte als auch im produktiven Austausch mit anderen Disziplinen, die sich mit Ansätzen feministisch-intersektionaler, postkolonialer, antirassistischer und queerer Theorien befassen. Anhand von vier thematischen Schwerpunkten soll diskutiert werden, inwiefern die Politische Theorie und Ideengeschichte normatives Orientierungswissen für eine gesellschaftliche Praxis zu generieren vermag, die das Verhältnis zwischen Gleichheit und Differenz kritisch auslotet und sich der politischen und rechtlichen Verantwortung für den Umgang mit Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung, race, Klasse oder Behinderung stellt. Ziel der Tagung ist es, das besondere Potential der Politischen Theorie zur Analyse der durch Diversitätstheorie umkämpften Grenze von Wissenschaft und Politik zu realisieren.

  1. Genealogie der Politischen Theorie und Ideengeschichte
    Die Tagung wirft einen kritischen Blick in den ‚Maschinenraum‘ der Politischen Theorie und Ideengeschichte, z.B. anhand von intersektionalen und/oder postkolonialen Analysen des Politischen Liberalismus. Zu untersuchen wäre, inwiefern die Kategorien Geschlecht, Klasse, race, sexuelle Orientierung u.a.m. in der Politischen Theorie und Ideengeschichte vielfach unreflektiert bleiben. Ebenso soll es um die Suche nach möglichen Vorbildern im internationalen Vergleich hinsichtlich einer Berücksichtigung und konstruktiven Würdigung von Diversitätsaspekten gehen, um damit den internationalen Dialog der deutschen Politischen Theorie zu stärken.

  2. Diversifizierung des Kanons der Politischen Theorie und Ideengeschichte
    Die Tagung fragt nach den Impulsen für eine stärkere Diversifizierung des bisherigen Kanons der Politischen Theorie – geht es um (historische) Gerechtigkeit, um epistemische Gründe, um den Respekt vor ‚anderen‘ Standpunkten? Wie steht es um die Proportionen von hegemonialen und marginalisierten Autor*innen in Lexika, Überblickswerken und Lehrplänen? Insofern die Forderung nach Diversifizierung der Kanons als eine politische Intervention in die Wissenschaft verstanden wird, wirft dies auch die originär politiktheoretische Frage nach dem (gewünschten) Verhältnis von Wissenschaft und Politik auf.

  3. Politische Epistemologie und kritische Wissenschaftstheorie
    Die Tagung bietet die Gelegenheit, die Konjunktur des Diversitätsbegriffs als Analysekatagorie, als moralische Quelle oder als politischen Kampfbegriff näher zu beleuchten und eine grundsätzliche begriffliche Auseinandersetzung mit verschiedenen, teils konkurrierenden Deutungsansätzen aus vorhandenen, auch trans- und interdisziplinären, Theorieangeboten zu Gehalt und (normativer) Aussagekraft des Konzepts der Diversität zu führen. Insbesondere ist zu danach zu fragen, welche Ansätze, z.B. aus dem Bereich der feministischen Wissenschaftskritik, der politikwissenschaftlichen Geschlechterforschung oder postkolonialer und antirassistischer Theorieansätze bisher nicht oder zu wenig fruchtbar gemacht wurden. Welche Auswirkungen hat die Auseinandersetzung mit Standpunkttheorien und neueren Debatten über epistemic injustice auf die Theoretisierung von Demokratie, Protestbewegungen, Repräsentation – um nur ein paar relevante Felder zu nennen?

  4. Wissenschaftsfreiheit und Diversität
    Welche fundierten Positionierungen zu den aktuellen Debatten um Wissenschaftsfreiheit lassen sich formulieren, die das Bemühen ernstnehmen, Wissenschaft im Sinne der Erkenntnisproduktion und Wissensvermittlung divers und inklusiv zu strukturieren? Die Tagung fragt nach der Verortung der Freiheit von Wissenschaft in gesellschaftlich umkämpften Feldern und nach der Konzeptionalisierung von Objektivität und Neutralität in den entsprechenden Diskursen. Lässt sich der Konflikt zwischen unterschiedlichen Dimensionen der Wissenschaftsfreiheit vermitteln? Die Tagung gibt zudem Raum für die Auseinandersetzungen mit konkreten Anfeindungen gegen diversitätstheoretische Forschungen. Wie sind die wissenschaftspolitischen Kämpfe um Deutungshoheit aus macht- und demokratietheoretischer Perspektive zu bewerten? Welche Implikationen ergeben sich für das Verständnis von Kernbegriffen wie Mehrheitsentscheidung, Meinungsfreiheit, Wahrheit? Und worin bestehen die Grenzen des Sagbaren zum Schutze von betroffenen Minderheiten? In diesem Zusammenhang wird auch zu diskutieren sein, nach welchen Kriterien konservative von rechten Ansätzen zu unterscheiden sind und welche Verschiebungen in der Verhältnisbestimmung zwischen der sog. Mitte und rechten Einstellungen sich gegenwärtig beobachten lassen.


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